Ein bedrohlicher Poltergeist!

Ich erhielt einen Anruf eines mir unbekannten Herrn M., welcher sehr aufgeregt sprach. Er meinte, er hätte noch nie ein Medium kontaktiert und ihm wäre dies mehr als unangenehm. Zumal er an so etwas nicht glaube. Allerdings habe seine Frau und er ein Problem, dass sie nicht zuordnen mögen und als Spuk in Betracht kommen könnte.

 

Darüber zu sprechen wäre ihm noch mehr zuwider, meinte er. Also beruhigte ich ihn erst einmal und redete ihm gut zu.

 

Er erzählte erneut, dass es, so verrückt wie es klingen möge, in seiner Wohnung spuke.

 

So fragte ich ihn, wie er zu der Annahme käme. Der Anrufer wurde nun sehr nervös und hektisch. Man merkte dass seine Logik gegen das Erlebte ankämpfte.

 

So berichtete er von den Geschehnissen.

 

„Es begann mit mysteriösen Klopfen an den Wänden. Zuerst meinten wir es wären Wasserleitungen. Doch das Klopfen fand auch an Wänden statt, in denen keine Leitungen sind.

 

Also beauftragten wir einen Handwerker, der auch keinen Fehler oder Defekt feststellen konnte.“

 

Der Anrufer wurde von Wort zu Wort immer panischer. „Ein paar Tage später begann bei uns immer wieder das Telefon zu klingeln doch es war niemand in der Leitung. Kurze Zeit später darauf fielen Bilder von den Wänden ohne ersichtlichen Grund. Die Nägel und Aufhängungen steckten und blieben unversehrt.“

 

Der Mann atmete immer schwerer in den Hörer. Man merkte ihm an, dass er Angst hatte, wenn er das Unglaubliche ausspricht es sich noch mehr manifestiert.

 

„Nachts hörten wir Schritte in der Wohnung und Zimmertüren fielen einfach so ins Schloss.“ Wir dachten es wären Einbrecher im Haus und riefen die Polizei an. Die kam, konnte aber keinerlei dafür Beweise finden.“

 

Es wurde immer schlimmer. Wir zogen ins Hotel.

Er erzählte auch, von eisigen Windhauche in ihrem Gang der Wohnung welche bei dem Paar für eine massive Gänsehaut und Ängste sorgte. Statt besser wurde es immer schlimmer und häufiger.

 

„Glauben Sie mir bitte. Ich weiß wie all dies sich anhört und wir zweifeln selber an unseren Verstand. Aber es geschieht!“ Der Mann begann verzweifelnd zu weinen.

 

„Wir trauten uns schon gar nicht mehr nach Hause. Wissen Sie wie das ist? Können Sie sich das vorstellen? Sie haben Angst vor ihrem eigenen Heim in dem eine nicht greifbare Bedrohung stattfindet. Lichter gingen ohne Tun an und aus.“

 

Er atmete tief durch und versuchte sich zu sammeln.

 

„Wir riefen unterschiedliche Handwerker an. Aber keiner fand etwas. Da wir auf einem Dorf leben, blieb es nicht aus, dass die Nachbarn zum tuscheln begannen.

 

 „Obwohl wir mit niemanden darüber sprachen, waren wir die komischen Käuze die ständig Handwerker anriefen die keine Arbeiten machen konnten, da nichts zum Tun war.“

 

„Gestern Abend fiel dann unser schweres Faxgerät vom Schrank. Damit war der Bogen überspannt und die Bedrohung war so dicht wie ein Schatten hinter uns. Zumindest fühlte es sich so an.“

 

„Wir sind geflohen, aus unseren eigenen vier Wänden und seit gestern Abend nun in ein Hotel gezogen. Es ist unerträglich und es kann so nicht weitergehen. Entweder es foppt uns jemand was für uns ebenso unerklärlich wäre, aber damit könnten wir leben. Oder, es ist tatsächlich der blanke Horror, ein Spuk.“

 

Ich fragte ihn: „ Finden diese Phänomene unentwegt statt?“

 

 „Nein,“ antworte er, es gibt keinerlei Rhythmus. Aber Sie als Medium sind unsere letzte Hoffnung. Wir haben wirklich keine Paranoia, Frau Gröschel, wirklich nicht. Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie um Hilfe bitte. Wir wissen uns nicht anders zu helfen!

 

Ich beruhigte ihn und wir vereinbarten einen Termin am nächsten Tag in besagte Wohnung.

 

Tags darauf fuhr ich zu der angegebenen Anschrift. Dort angekommen öffnete mir der Herr des Hauses die Tür und so trat ich ein. Seine Frau stand verängstigt hinter ihm und reichte mir zaghaft die Hand. Man sah ihr den Stress im Gesicht an.

 

Herr M. ging voraus und bat mich ihm zu folgen. Als wir das Zimmer betraten schloss der Ehemann die Zimmertür. Wir setzten uns und ich wollte die ohnehin erst einmal schon panischen Leute nicht beunruhigen und begann mit Smalltalk.

 

Urplötzlich schepperte es laut im Flur und etwas schien auf den Boden zu fallen. Wir erschraken alle Drei. Frau M. Sah mich ängstlich an und begann zu zittern.

 

Ich deute mit dem Zeigefinger vor dem Mund an nicht zu sprechen und hauchte leise „Pssst“.

 

Es machte den Anschein, als kratze etwas an der verschlossene Zimmertür. Selbst mir blieb vor Schreck fast das Herz stehen und das Paar sah kreidebleich erst zu mir dann zur Tür.

 

Sie erwarteten anscheinend etwas.

  

Der Raum fühlte sich urplötzlich eiskalt an.

Mit einem unerwarteten Ruck öffnete sich die Zimmertür und der Raum füllte sich augenblicklich mit eisiger Kälte. Es fühlte sich sehr bedrohlich an.

 

Trotz des Schreckens der plötzlich geschehenden Phänomene sprang ich sofort auf. Ich wollte der Sache auf den Grund gehen und zwar sofort.

 

Der Ehemann folgte mir in kurzem Abstand.

 

Mit einer Armbewegung wies ich ihn an, zurück zu bleiben und so setzte er sich wieder.

 

Als ich im Türstock stand erschien ohne Vorwarnung der Geist eines Mannes vor mir. Dicht an dicht und nur circa 20 Zentimeter trennten uns.

 

Mein Herz schlug bis zum Hals. Der Raum fühlte sich noch immer erbarmungslos an. Wir, die Spukgestalt und ich, sahen uns tief in die Augen.

 

Ich ging einen Schritt zurück und sah ihn fragend an.

 

Die Spukgestalt war ca 1,70 Meter groß und wirkte gläsern wie ich es von solchen Phänomenen gewohnt bin. Er trug einen schwarzen Anzug, welcher aussah als wäre es ein viel zu klein geratener Konfirmationsanzug von Anno dazumal. Die Ärmel waren zu kurz und die knochigen Armen sahen zu weit heraus. Die Hose war ebenso um einiges zu kurz und so sah man die auffällig verwaschene Socken die er darunter trug.

 

Er machte einen erbärmlichen Eindruck und sein Gesicht verriet große Trauer und Depressionen. Das Gesicht entsprach dem eines Alkoholiker. Dennoch war es ein gefühltes Horrorszenario.

 

Wieder zogen mich seinen Augen in den Bann. Als ich in diese blickte sah ich plötzlich Auszüge aus seinem Leben. Wie aus einem Film nur dass es wohl seine Erinnerungen waren die er mir telepathisch übertrug.

 

Da war diese kleine Kammer, ein kleines Zimmer in dem der Mann einsam saß. Er weinte und hatte die Hände an den Kopf gelegt. Die Haare hingen aus den Spalten zwischen den Fingern. Tränen tropften zu Boden. Es schmerzte mich ihn so traurig zu sehen. Diese Einsamkeit, Trauer und Leere die er spürte konnte ich empfinden und es schnürte mein Herz zu.

 

Dieser tiefe Schmerz von ihm verursachte so etwas wie Atemnot in mir und mir wurde übel von diesem erdrückend schweren Kummer welchen er empfand.

 

Ich sah aus seinem Fenster und erkannte, dass er wohl auf einem Einsiedlerhof irgendwo auf weiter Flur lebte.

 

Es roch nach frischen Heu. Dort war kein menschliches Leben sondern nur Natur. Schlimm sah er aus, wie er da so saß.

 

Abrupt war ich wieder in der Tür des Ehepaares. Der Geist sah mich wissend an und verschwand, wie ein Trugbild das nie vorhanden war.

 

Warum fühlt es sich so bedrohlich an. Sind wir in Gefahr?

Ich wendete mich zu dem Duo um, welche mich versteinert und entgeistert ansahen. Auf meine Frage: Haben Sie ihn auch gesehen?“ zuckten sie fragend mit den Achseln und verstanden wohl nicht wovon ich sprach.

 

Sie hatten ihn also nicht gesehen.

 

Tausend Gedanken schwirrten durch meinen Kopf. Ich verstand nicht warum sich vor der Erscheinung die Situation so bedrohlich, sich gar so aggressiv anfühlte.

 

Denn eigentlich war es doch nur eine sehr traurige Seele. Hatte ich irgend etwas übersehen?

 

Nun, ich erzählte dem Paar was ich gesehen hatte. „Sagt Ihnen diese Person etwas? Kennen Sie ihn? Beide überlegten und verneinten.

 

Ich erklärte ihnen, sie sollten Recherchen betreiben. Manches klärt sich dann. Sie sollten Informationen einholen, über das Haus in dem sie wohnen oder über ihre Familien. Dieser Mann steht ihnen auf irgendeine Weise nahe und ist eigentlich nicht aggressiv.

 

Etwas, irgendetwas verbindet die Drei. Meine Erfahrung, so sagte ich ihnen, zeigte das es oftmals nur kleine Dinge sind die ins Gleichgewicht gebracht werden müssen.

 

Dinge die für uns klein sind, können für andere Menschen von großer Bedeutung sein. Meist wäre dann Ruhe mit dem Spuk.

 

Das Ehepaar war beruhigter. Zumal sie nun wussten, dass sie nicht von Sinnen sind, sondern auch ich mitbekommen hatte, das es bei ihnen spukt.

 

Ich verabschiedete mich und fuhr nach Hause.

 

Am nächsten Tag rief der Mann wieder bei mir an. Er erzählte mir, dass sie mit der Familie seiner Frau telefonierten und erfuhren, dass die Ehefrau einen, ihr unbekannten, Großonkel hatte. Dieser lebte auf einem bäuerlichen Hof außerhalb von Berlin.

 

Sein Vater fand eines Tages heraus, dass sein Sohn homosexuell war. Von da an begann der Leidensweg und die Pein des Onkels.

 

Er wurde aufs Tiefste von seiner Familie und dem Umfeld verachtet und somit verbrachte er sein trostloses Dasein auf dem elterlichen Hof in seiner kleinen Kammer.

 

Er wurde wurde nicht akzeptiert und wie ein armer Hund behandelt. Vom Vater oft geprügelt und beschimpft.

 

Der einst liebende Vater verstieß sein Sohn emotional und machte ihn nieder wo es nur ging. Der Rest der Familie wirkte mit.

 

So fühlte sich dieser Großonkel abgrundtief gehasst und, war verzweifelt über sich selbst. Bedingt durch seine Depressionen begann er sich dem Alkohol zuzuwenden. Damit bestätigte er indirekt ein weiteres Mal die Idee seiner Familie ein kranker Nichtsnutz zu sein. Es war ein Teufelskreis.

 

Eines Tages lag er dann tot im Bett - mit seinem einzigen schönen Sonntagsgewand. Diesem viel zu klein geratenen Konfirmationsanzug welcher sein Markenzeichen war. Denn wenn er einmal den Hof verließ zog er diesen an.

 

Es war ein Anzug aus seinen jüngeren Jahren. Er hatte nichts Besseres und ihm wurde auch nichts Gutes getan und für eine passende Kleidung gesorgt.

 

Schließlich war er das schwarze Schaf, der Tunichtgut der Familie. Er hatte es nicht verdient, so das damalige Denken der Angehörigen. Laut ihrer Meinung brachte er nur Schande über die Familie.

 

Als das Ehepaar von dieser tragischen Familiengeschichte erfuhren, wussten sie von alleine was zu tun war. Sie setzten sich in den Flur und obwohl sie ihn nicht sehen konnten, sprachen sie zu ihm. Sie sagten ihm das sie ihn schätzten und akzeptierten so wie er war. Das er ihnen leid tat und er kein schlechter Mensch gewesen sei. Fortan war der Spuk vorbei.

 

Vermutlich hat diese Seele keine Ruhe gefunden bevor jemand oder ein Teil der Familie ihm gegenüber Liebe und Wertschätzung ausdrückte. Er hatte ja selbst keine gute Meinung über sich und war wohl der Ansicht er hätte diese nicht verdient, weil er eben so war wie er war. Die Aggression die das Paar über die Monate spüren konnte und die auch ich wahrnahm, war nichts anderes als die Aggression die dem Mann zu Lebzeiten entgegen prallte. Er wollte wohl andere spüren lassen, was er einst spürte, damit ihm jemand das erlebte Leid abnimmt.